Der mythische Held als Homers Epos irrt 10 Jahre auf dem Mittelmeer herum, bevor er endlich im heimatlichen Hafen in Ithaka ankommt. Der Weg auf der Reise, den er durchlebt und oft durchlitten hat, birgt Abenteuer, Entdeckungen, bedrohliche wie auch urlaubsreife Episoden. Sprichwörtlich, kulturprägend, identifikationsstiftend und unauslöschlich aus unserem Kulturverständnis bis hin zum Begriff der Heldenreise in der Literatur sind die Umwege, Irrwege, Aufenthalte oft über mehrere Jahre weit entfernt von seinem Zuhause. Und als er dort endlich ankommt, von wo er aufgebrochen ist, scheint nichts mehr so wie vorher zu sein. Auch hier muss er erst lebensbedrohliche Angriffe überstehen, bevor er – ja – Frieden, seinen Platz, was eigentlich (wieder)findet?
Hier sehen wir eine Parallele zu der Entwicklung, die Jugendliche körperlich, geistig und seelisch durchmachen in der Übergangsphase vom Kind zum Erwachsensein. Eine Entwicklung, die einerseits scheinbar klar definierte Ziele vorgibt: Erwachsenwerden, volljährig sein, unabhängig vom Elternhaus werden, selbständig in Studium und Beruf sein, politisch autonom sein. Doch der Weg dorthin läuft entwicklungsbedingt alles andere als geradlinig.
Diese Reise ins Ungewisse interessiert uns als Ansatz für die Entwicklung von szenischem Material für die Theatercollage. Welche Erwartungen stellen SchülerInnen an diesen Aufbruch? Welche Wünsche und Träume haben sie? Welche Ängste und Sorgen beschäftigen sie? Welche Pendants zu menschenfressenden Zyklopen, feindlichen Völkern, sturmweckenden rachesüchtigen Göttern gibt es in der Fantasie der Jugendlichen? Welchen Verführungen, Verlockungen und Versuchungen sind sie ausgesetzt; wie klingt für die Jugendlichen der Sirenengesang, der auf Umwege und in Abgründe führt? Wie sehen die Utopien und Alternativen zum Elternhaus aus, aus dem sie aufbrechen und wie werden sie am Punkt X, dem vermeintlichen Endpunkt der persönlichen Odyssee, umgesetzt in der Lebensgestaltung?
Selbstentwickelte Szenensollen in Bezug und in Spannung gesetzt werden zu literarischen Zitaten aus den verschiedenen Werken, die sich mit dem Odyssee-Stoff beschäftigen. Die szenische Umsetzung bezieht bei der dramaturgischen Form der Collage auch moderne Medien mit ein. Die Konstruktion von traditionellen Heldenbildern und deren Bezug zur heutigen Lebensrealität der Jugendlichen sollen thematisch und ästhetisch in den Szenen aufgegriffen werden.