Speed- ein Bewegungstheater-Projekt zum Thema Beschleunigung und Entfremdung

Fast-Food, Speed-Dating, Dead-Iines, Turbo-Kapitalismus und Turbo-Abitur - jeder
kennt die Symbole und Begrifflichkeiten, die ein Leben auf der Überholspur signalisieren.
Ein „coffee to go" ist effizienter als ein Aufenthalt im Cafe, ein „Date“ mit 7 Personen
effizienter als ein vielleicht mühsam zustande gebrachtes Rendezvous. Wir kaufen lieber
gleich 5 T-Shirts, statt uns in die Warteschleife zur Ankleide zu begeben, um ein
Kleidungsstück anzuprobieren, das diesen Zeitaufwand längst nicht mehr lohnt. Mit diesen
Beispielen, samt seiner teils obsoleten Begriffe umfassen wir einen geschätzten Zeitraum
von etwa 30 Jahren - und sehr schnell wird deutlich, in weich rasanten Wechseln und
stetigem Innovationsdruck sich unsere Gesellschaft befindet. Soziologen sprechen vom Phänomen eines rasant beschleunigten Wandels der Gesellschaft, an dem wir alle
teilhaben, mehr noch: die Kategorie der Beschleunigung wird zum Indikator der
postmodernen Welt, vor der es, so scheint es, kein Refugium mehr gibt.
Das gnadenlose Tempo von Innovation und Konkurrenzdruck bestimmt heute nicht nur
ökonomische Prozesse, sondern vereinnahmt den Lebensrhythmus: Stillstehen bedeutet zurückfallen. Erfolgsorientierte Eltern richten ihre Erziehung schon sehr früh am Leitmodell des Erfolgs aus. Kinder sollen möglichst bilingual aufwachsen, ein Instrument erlernen, im
Spiel schon kognitive Fähigkeiten entwickeln. Die Unberechenbarkeit des Lebens,
Missgeschicke, Fehlleistungen, Störanfälle sollen minimiert, am besten ganz
ausgeschlossen werden,
„Digital Natives" wachsen mit der intuitiven Kenntnis dieses Zeitgefühls samt ihres
zugehörigen und lebensnotwendigen Zubehörs auf. Sie lernen sehr früh, ihre
Reaktionsfähigkeit zu trainieren, sie schulen ihre Sehgewohnheiten an den raffinierten
Schnittwechseln zeitgenössischer Filme oder Videospiele, sie vernetzen ihre sozialen
Kontakte, die eine reale Anwesenheit von Personen „auf befreiende Weise" verzichtbar
machen. Sie sind optimal an die Zunahme des Lebenstempos angepasst. Botschaften müssen stündlich versendet werden, Selfies verschickt, die Auskunft darüber geben, wo man sich befindet, an welchem Ort was getan, geschmeckt, geplaudert, besichtigt wurde.
Wurde es „besichtigt"? Oder hat man gerade die Details fotografiert - um die Dinge nicht in Augenschein nehmen zu müssen? Ein Smartphone kompensiert menschliche Gebrechen
wie Vergesslichkeit (Fotosammlung), Ideenlosigkeit (Google), Schüchternheit (Facebook,
Mails, SMS). Als tragbare Spielstation, Disco, Videothek Fernsehen hat es die Langeweile
abgeschafft und mit ihr die Momente der Besinnung und den banalen Blick darauf, was
„außen" und vielleicht auch „innen“ vorgeht.
Soziologen sprechen von „Entfremdung", wenn die Verbindung mit den Dingen, die
Orientierung in Räumen und der reale Kontakt zu Menschen verloren gehen.